Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg

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Portrait von Eleonora Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg (Unbekannter Künstler, Kniestück der Kaiserin Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg, ca. 1680, © KHM Museumsverbund, Gemäldegalerie, 5617.)

Eleonora Magdalena Theresia war das erste Kind aus der zweiten Ehe Philipp Wilhelms von Pfalz-Neuburg mit Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt, die 1653 geschlossen worden war. Die Prinzessin erhielt in Düsseldorf und Neuburg an der Donau, den beiden wichtigsten Residenzen der Neuburger, eine den Vorstellungen der Zeit entsprechende Ausbildung. Sie lernte Französisch und Italienisch, tanzte mit Anmut, erfreute sich an der Jagd und an Musik. Vor allem aber war eine tief empfundene Frömmigkeit Ziel ihrer Erziehung; angeblich soll Eleonora Magdalena sogar zunächst einen Klostereintritt der Ehe vorgezogen haben.

Der anderslautenden Entscheidung ihres Vaters folgte sie jedoch ohne Widerstand, denn Herzog Philipp Wilhelm begann nach dem Tod von Kaiserin Claudia Felicitas (1653–1676) im Frühjahr 1676, intensiv an der Positionierung seiner ältesten Tochter als Braut Kaiser Leopolds I. (1640–1705) zu arbeiten. Dabei setzte er verschiedene Vertraute am kaiserlichen Hof in Bewegung, die sich nicht zuletzt auch der Unterstützung von Leopolds Stiefmutter, der Kaiserin-Witwe Eleonora Gonzaga-Nevers (1630–1686), versicherten. Allerdings hatte der Eheplan durchaus auch Gegner im Umfeld des Kaisers, und zwar vor allem wegen der zahlreichen Geschwister Eleonora Magdalenas. Man fürchtete in Wien, der Kaiser werde sie im Fall einer Heirat dann „auf dem Hals haben“1, sprich dafür sorgen müssen, dass die jüngeren Brüder seiner Gemahlin in Amt und Würden kämen, die Töchter standesgemäß verheiratet würden.

Ungeachtet manchem Für und Wider entschied sich der Kaiser im Herbst 1676 aber für die pfälzische Prinzessin. Als am 14. Dezember 1676 in Passau unter großem Glockengeläut die Hochzeit begangen wurde, schauten viele im Heiligen Römischen Reich mit Hoffen und Bangen auf das Brautpaar, denn die beiden früheren Gemahlinnen des Kaisers waren relativ jung verstorben. Zwar hatten sie ihm mehrere Kinder geschenkt, von denen war aber lediglich eine Tochter, Erzherzogin Maria Antonia (1669–1692), noch am Leben. Leopold I., mittlerweile 36 Jahre alt, war damit der letzte männliche Vertreter der kaiserlichen Dynastie, die Nachfolge im Falle seines Todes völlig ungeklärt.

Und die Entscheidung für die pfälzische Prinzessin sollte sich in vieler Hinsicht als richtig erweisen: Eleonora Magdalena brachte insgesamt zehn Kinder zur Welt, von denen zwei Söhne, Joseph I. (1678–1711) bzw. Karl VI. (1685–1740), ihrem Vater auf dem Kaiserthron folgten. Das Ehepaar entwickelte ein sehr liebevolles, vertrautes Verhältnis zueinander. Eleonora Magdalena und Leopold waren in ihren knapp dreißig Ehejahren nur wenige Wochen voneinander getrennt – beispielsweise, als der Kaiser nach dem Entsatz von Wien 1683 dorthin reiste, die Kaiserin aber in Linz im Kindbett lag und eine so gefährliche Reise nicht antreten konnte. Die ungetrübte Beziehung der beiden war eine wichtige Basis dafür, dass Eleonora Magdalena allmählich zu einer wichtigen Beraterin ihres Gemahls wurde, der sie in politischen Belangen ins Vertrauen zog und sie an seiner umfangreichen Korrespondenz beteiligte.

Zugleich war und blieb sie ihrer Herkunftsfamilie eng verbunden, stand in regem Briefwechsel mit ihrem Vater, ihrer Mutter und mehreren ihrer Brüder und Schwestern. Nach dem Tod des Vaters, der seit 1685 Kurfürst von der Pfalz war, blieb ihr ältester Bruder ihr wichtigster Ansprechpartner. Von ihrer umfangreichen Korrespondenz, die sie mit ihren Geschwistern und mit zahlreichen Fürstinnen und Fürsten des Heiligen Römischen Reiches ebenso verband wie mit Spanien oder der römischen Kurie, sind aber offenbar nur kleine Teile überliefert.

Der hier edierte Briefwechsel mit Vater und Bruder, den Eleonora über vierzig Jahre führte, zeigt dessen ungeachtet sehr gut, dass und wie die Kaiserin ihre Position als Bindeglied und als Chance verstand, im Sinne ihrer beiden Familien aktiv zu handeln. Dabei ging es, wie ihre Gegner schon vermutet hatten, tatsächlich in großem Maße darum, für ihre jüngeren Brüder Ämter und Einkünfte zu finden und ihre Schwestern gut zu verheiraten. Damit eröffneten sich für das Haus Pfalz-Neuburg zahlreiche Chancen. Allerdings geschah die Wahl der Ämter und Ehepartner keineswegs nur im Sinne des Hauses Pfalz-Neuburg. Aus dem Engagement von Kaiser und Kaiserin für die Prinzen und Prinzessinnen des Hauses ergaben sich zugleich Verpflichtungen für Eleonoras Geschwister, die wiederum den politischen Interessen des Hauses Habsburg im Heiligen Römischen Reich und in Europa zugutekamen. Der Kaiser hatte also die Geschwister seiner Gemahlin nicht nur „am Hals“, sondern er wusste auch die Möglichkeiten zu nutzen, die sich ihm dadurch boten.

Und Kaiserin Eleonora Magdalena war es, die in all diesen Vorhaben aktiv zwischen Düsseldorf, Neuburg und Wien vermittelte. Damit baute die Kaiserin gemeinsam mit Vater, Bruder und Ehemann an einem Netzwerk, über das beide Dynastien ihre Kräfte bündelten und sich gegenseitig ergänzten: Der Stellenwert des Hauses Pfalz-Neuburg in der Hierarchie des Reiches stieg durch die enge Verbindung mit dem Kaiserhaus, und es konnten europäische Verbindungen geknüpft werden. Das Haus Habsburg dagegen konnte die neuburgischen Prinzen und Prinzessinnen zur Stärkung der eigenen Position durch Eheverbindungen und ranghohe Positionen in der Reichskirche nutzen.

Fürsprachen und Parteinahmen der Kaiserin blieben nicht auf ihre engste Familie beschränkt, sondern sie wurde auch von anderen Fürstinnen und Fürsten des Reiches, mit denen sie nicht oder allenfalls sehr entfernt verwandt war, um Unterstützung gebeten – der hier publizierte Briefwechsel enthält zahllose Beispiele dafür. Dabei war und blieb der Kaiserin freilich immer bewusst, dass sie zwar Ideen lancieren und Meinungen äußern konnte. Sie konnte auch Verbindungen zu höfischen Amtsträgern, Diplomaten oder auswärtigen Höfen nutzen oder vorantreiben. Entscheidungen blieben freilich am Ende stets dem Kaiser bzw. dem Kurfürsten, also Ehemann, Vater und ältestem Bruder, vorbehalten.2

Ihre Handlungsmöglichkeiten als Kaiserin nutzte Eleonora Magdalena ebenso bewusst wie sie Grenzen akzeptierte, die die Normen der Zeit ihr als Frau auferlegten. Vor allem zugunsten ihrer Geschwister aber war sie bereit, die Möglichkeiten, die sich ihr als Kaiserin innerhalb wie außerhalb der Grenzen des Reiches boten, möglichst intensiv und umfassend auszuschöpfen. In späteren Jahren kam die Unterstützung ihrer Kinder hinzu, obwohl sich ihre beiden kaiserlichen Söhne mit dem Wunsch ihrer Mutter nach Mitsprache und wie mit deren politischen Vorstellungen teilweise schwertaten.

Dies war sicher auch eine Ursache dafür, dass sich Eleonora Magdalena nach dem Tod ihres Ehemannes 1705 stärker auf ein frommes Leben konzentrierte. Hatte sie bislang gemeinsam mit ihrem Ehemann Kirchen und Klöster zum Gebet besucht, sich in Bruderschaften einschreiben lassen und verschiedene Geistliche gefördert, rückte nun das zurückgezogene Gebet mehr ins Zentrum ihres Lebens. Sie war schon zu Lebzeiten dafür bekannt, dass sie intensive Gebete, lange Gottesdienste und regelmäßige Bußübungen auf sich nahm, ebenso wie für ihre großzügige Mildtätigkeit gegenüber Armen. Die asketische und zugleich repräsentative Frömmigkeit entsprach sowohl Eleonoras eigenem Wunsch wie den Erwartungen an eine fürstliche Witwe.

Der gewünschte Rückzug ins Gebet war ihr jedoch nicht dauerhaft vergönnt. Vielmehr musste sie 1711 in einer für Dynastie und Reich schwierigen Situation noch einmal in ungeahntem Ausmaß Verantwortung übernehmen, um dem Wohl des Hauses Habsburg zu dienen: Als ihr Sohn, Kaiser Joseph I., im April 1711 überraschend verstarb, beschlossen die in Wien anwesenden kaiserlichen Räte, die Verantwortung der Regentschaft in Österreich, Böhmen und Ungarn an Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena zu übertragen. Ihr jüngerer Sohn Karl war zu diesem Zeitpunkt in Spanien, wo er seit 1704 um das spanische Erbe der Habsburger kämpfte. Ein männlicher Habsburger stand damit als Stellvertreter nicht zur Verfügung, weshalb es, wie schon im 16. Jahrhundert in den Niederlanden, nun in Wien an den Frauen des Hauses war, die Regierungsgeschäfte zu führen und die Herrschaft des Hauses zu sichern.

Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena war sich der komplizierten Situation bewusst, in der sie im Frühjahr 1711 die Regentschaft übernahm. In Ungarn war ein Aufstand noch nicht ganz beendet, in Italien, den spanischen Niederlanden und in Spanien wurde um die Erbfolge in Spanien gekämpft. Bedrohungen von Seiten Schwedens und des Osmanischen Reiches kamen hinzu. Für all diese Kriege musste Geld aufgebracht werden, ganz zu schweigen von den alltäglichen Geschäften, die die Verwaltung der Erblande betrafen. Vor allem aber sah die Kaiserin-Witwe es als ihre Aufgabe an, für ihren Sohn Karl die Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu erreichen. Dazu drängte sie diesen nicht nur, die notwendigen Schritte zu setzen und vor allem baldmöglichst aus Spanien abzureisen. Sie korrespondierte auch mit den Kurfürsten – darunter ihrem Bruder Johann Wilhelm von der Pfalz – um eine baldige Wahl in die Wege zu leiten. Diese erfolgte schließlich im Oktober 1711.

Mit der erfolgreichen Regentschaft in einer politisch wie dynastisch schwierigen Situation bestätigte die Kaiserin in der Sicht der Zeitgenossen noch einmal ihren Ruf als kluge und starke Frau. Diese Sicht gibt auch eine große Zahl von Gedenkschriften und Predigten wieder, die nach ihrem Tod im Januar 1720 in vielen Städten der habsburgischen Länder und des Heiligen Römischen Reiches gehalten wurden. Der Wiener Hofprediger stellte seine Predigten unter das Motto „Wer wird ein starkes Weib finden?“ (Sprüche Salomonis 31; Brean 1720). Viele waren der Meinung, Eleonoras Stärke habe sich auch in der Wirkung ihrer Gebete ausgedrückt, mit denen sie mehr zu den politischen Erfolgen ihres Gemahls beigetragen habe als „die Kriegs-Fürsten in dem Feld“ (Wagner 1720, S. 88). Die militärischen Erfolge des Kaisers gegen die Osmanen und gegen Frankreich wurden so nicht zuletzt auf ihr Gebet zurückgeführt.

In einer dieser Gedenkschriften gab ein mit ihr vertrauter Geistlicher auch eine kurze Beschreibung ihres Äußeren, die zugleich einige Charakteristika ihrer Person erahnen lässt:

"Die Stimm war hell / und wohl vernehmlich; in allen Dingen / die sie vorhatte / [waren] Eyfer und Eylfertigkeit beysammen; der Gang offt so schnell / daß ihre Hof-Fräulein deroselbigen im Nachgehen kaum gefolgen konnten; in allen andern Geschäfften / und Mühewaltungen ware sie jederzeit munter / noch langweilig / noch verdrossen. Sonst ware ihre Natur für sich aufrecht / und frölich / ja zum Schertzen und Lachen nicht ungeneigt; ... Sie ware eines guten und hohen Verstands / und behielte fast in der Gedächtnuß / was sie nur einmal zu Ohren / oder Augen gebracht; In Weiblichen Künsten ware sie eine vortreffliche Meisterin / und hatte auch kein Abscheuen im hohen Alter das jenige zuerlehrnen / was sie vorhin nit gekönt. ... Auch etwas von ihrer äusserlichen Leibs-Gestalt zu melden / so war ihr Länge mittelmäßig / in dem Alter aber / wegen stäten Knyebiegen / unter so offtmahligen Gebett / und darauß entstehender Schwachheit für sich eingebogen; die Stirn sichtlich weit; die Augen weit hervor stehend; das Angesicht mit denen so genannten Sonnen-Mackeln etwas besprenget; breite Schultern; die Nasen und Mund mittelmäßig; das gantze Angesicht nicht nur annehmlich; sondern die gantze Leibs-Gestalt / und Gemüths-Einrichtung zeigte etwas Männliches; gleichwie sie nemlichen die meiste Männliche Tugenden / aber kaum etwas von Weiblichen Schwachheiten von der gutthätigen Natur ererbet." (Wagner, Leben und Tugenden, S. 70-76.)

Literatur

https://www.deutsche-biographie.de/sfz56812.html

Aderhold, Christel, Eleonore Magdalena Theresa. Eine kurpfälzische Prinzessin auf dem deutschen Kaiserthron, in: Kurpfalz. Organ des Vereins „Kurpfalz“ 16 (1965) 2/3, S. 5-6 bzw. 17 (1966), 1, S. 4-5

Anzböck, Sylvia (1987): Kaiserin Eleonore Magdalena Theresia, Gemahlin Kaiser Leopolds I. Dipl. Arb. Wien.

Beiträge in https://kaiserin.hypotheses.org/

Brean, Franz Xaver, Die starcke Tugend Und Tugendsambe Stärcke Eleonorae Magdalenae Theresiae, Weyland Römischer Kayserin …, Wien 1720.

Hartleb, Wilfried (2021): Ein Medienereignis von europäischer Dimension. Die Passauer Kaiserhochzeit von 1676. In: Passauer Almanach 17, S. 114-127.

Ingrao, Charles W., Thomas, Andrew L. (2002): Piety and Patronage: The Empress-Consort of the High Baroque. In: German History 20 (2002) 1, S. 20-43.

Keller, Katrin, Die Kaiserin: Reich, Ritual und Dynastie, Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2021.

Peters, Leo (2010): "… wie es einer tugentsamen fürstlichen Princessin wohl anstehet …". Die in Schloss Benrath 1672 festgelegten Erziehungsregeln für die spätere Kaiserin Eleonore Magdalena (1655-1720). In: Düsseldorfer Jahrbuch 80, S. 317-323.

Pölzl, Michael (2021): Am Anfang und am Ende. Die Mutter und die Schwägerin Karls VI. In: Stefan Seitschek und Sandra Hertel (Hg.): Herrschaft und Repräsentation in der Habsburgermonarchie (1700-1740). Die kaiserliche Familie, die habsburgischen Länder und das Reich. München (Bibliothek Altes Reich, 31), Wien 2021, S. 115-137.

Schmidt, Hans (1982): Zur Vorgeschichte der Heirat Kaiser Leopolds I. mit Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 45, S. 299-330.

Wagner, Franziskus (1721): Leben und Tugenden Eleonorae Magdalenae Theresiae, Römischen Käyserin / Von einem der Gesellschaft Jesu Priestern zusammen getragen, Wien: Schwendimann.

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1 Schmidt, Vorgeschichte, 314.