Philip Wilhelm von Pfalz-Neuburg

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Portrait von Philip Wilhelm von Pfalz-Neuburg (Unbekannter Künstler, Portrait des Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, ca. 1685, © Stadtmuseum Düsseldorf, B 11.)

Philipp Wilhelm war das einzige überlebende Kind seines Vaters Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1578–1653); seine früh verstorbene Mutter Magdalena von Bayern (1587– 1628) war eine jüngere Schwester von Herzog bzw. Kurfürst Maximilian I. von Bayern (1573–1661). Die Eheschließung beider stellte einen wohlerwogenen politischen Schritt des lutherisch erzogenen Wolfgang Wilhelm dar, denn sie war mit seiner Konversion zum Katholizismus verbunden und damit zugleich mit einem Wechsel der politischen Lager. Den Hintergrund bildete wohl eindeutig das Bestreben des Pfalzgrafen, seine Erbansprüche auf die Herzogtümer Jülich-Cleve und Berg mit Hilfe des katholischen Lagers gegen seinen protestantischen Konkurrenten Brandenburg-Preußen zu sichern.

Philipp Wilhelm wuchs demzufolge im katholischen Bekenntnis auf und wurde von Jesuiten erzogen. Ihnen verdankte er nicht nur die Beherrschung verschiedener Sprachen (Latein, Italienisch, Spanisch und Französisch) und möglicherweise seine Liebe zur Musik. Vor allem legte seine Erziehung den Grundstein für eine innige katholische Frömmigkeit, die sich später nicht zuletzt in der Stiftung mehrerer Kirchen und Bruderschaften manifestierte.

Mehrmals hielt er sich schon in jungen Jahren am Kaiserhof in Wien auf, und aus dieser Verbindung entwickelte sich der Plan für seine erste Eheschließung: Mit Unterstützung von Kaiserin-Witwe Eleonora Gonzaga (1598–1655) warb Philipp Wilhelm erfolgreich um Anna Katharina von Polen (1619-1651), die jüngste Schwester des polnischen Königs und Tochter einer Habsburgerin. Die Hochzeit fand im Juni 1642 in Warschau statt. Damit in Verbindung stand, dass Philipp Wilhelm dann 1644 von seinem Vater die Regentschaft im Herzogtum Neuburg übertragen bekam, wo das junge Herzogspaar residierte.

Als Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg im Frühjahr 1653 starb, übernahm der im Herbst 1651 verwitwete und noch immer kinderlose Philipp Wilhelm auch die Besitzungen am Niederrhein, die sich bislang sein Vater vorbehalten hatte. Umgehend strebte der immerhin bald 40jährige Herzog nun eine zweite Eheschließung an, um die Erbfolge der Linie Pfalz-Neuburg zu sichern. Im Herbst 1653 ehelichte Philipp Wilhelm schließlich Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt (1635-1709), die er im Zusammenhang mit einer Reise zum Reichstag 1653 kennen gelernt hatte.

Elisabeth Amalie stammte aus einem traditionell streng lutherischen Haus und konvertierte (gegen den Willen ihrer Eltern), um diese Ehe eingehen zu können. Das Fürstenpaar lebte meist in Düsseldorf und hinterließ sowohl dort wie in Neuburg an der Donau, der zweiten Residenz, eine große Zahl frommer Stiftungen. Die Ehe war äußerst einvernehmlich, vertraut und liebevoll, was sich nicht zuletzt in einer ständig wachsenden Zahl von Kindern dokumentierte. Elisabeth Amalie war 23mal schwanger und brachte 17 Kinder zur Welt – das erste war Eleonora Magdalena Theresia, die am 6. Januar 1655 in Düsseldorf das Licht der Welt erblickte. Ihr sollten bis 1679 neun Brüder und sieben Schwestern folgen.

In den ersten Jahren seiner eigenständigen Regierung schlug Philipp Wilhelm politisch neue Wege ein: Er entfernte sich vom Kaiser, mit dem sein Vater lange eng verbunden gewesen war. Dies resultierte aus den anhaltenden Auseinandersetzungen des Pfälzers mit Brandenburg-Preußen um das jülich-clevische Erbe, bei denen er sich von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657) nicht entsprechend unterstützt sah. Philipp Wilhelm suchte deshalb seit Mitte der 1650er Jahre politisch die Nähe Frankreichs; 1657 galt er sogar als französischer Kandidat bei der Kaiserwahl, die 1658 dann allerdings zugunsten Leopolds I. (1640– 1705) ausging. Als einer der ersten deutschen Reichsfürsten trat Philipp Wilhelm 1658 dem Rheinbund bei, was diese frankreichfreundliche Haltung besonders deutlich unterstreicht.

Hochfliegende Pläne verfolgte der Herzog dann 1669, als er sich nach der Abdankung des letzten polnischen Königs aus dem Hause Wasa um die polnische Krone bemühte. Basis seiner Kandidatur bei der Königswahl war dabei seine erste Ehe mit einer Schwester des abgedankten Königs. Dies war freilich ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie eine Kandidatur seines ältesten Sohnes Johann Wilhelm 1674. Dadurch richtete sich jedoch das politische Augenmerk des rheinischen Fürsten stärker auf Polen, das seit langem zum Interessens- und Einflussgebiet der Habsburger zählte. Gleichzeitig war es 1666 gelungen, mit dem Hauptlandesvergleich den Konflikt mit Brandenburg um Jülich-Cleve und Berg weitgehend beizulegen – Philipp Wilhelm konnte so den Besitz der Herzogtümer Jülich und Berg sichern. 1672 folgte zudem ein Religionsvergleich, der für den strikt katholischen Pfälzer große Bedeutung hatte.

Mit diesem Vergleich und dem Augenmerk auf Polen erfolgte eine allmähliche Wiederannäherung an das kaiserliche Lager. Dass sich nun die kurfürstlichen Verwandten in Bayern – beide Linien gehörten ja zum Haus Wittelsbach – parallel dazu stärker an Frankreich orientierten, mag Philipp Wilhelm darin zusätzlich bestärkt haben. Als kaiserlicher Gefolgsmann rechnete er sich zudem Vorteile aus in Hinblick auf ein anderes, politisch lukratives Vorhaben: Im Fall des kinderlosen Todes des nächsten Kurfürsten von der Pfalz aus der Linie Pfalz-Simmern war Philipp Wilhelm dessen Erbe. Das würde nicht nur eine deutliche Rangerhöhung für das Haus Pfalz-Neuburg bringen, sondern auch für den Herzog persönlich, der dann zum exklusiven Kreis der Königswähler im Heiligen Römischen Reich zählen würde. Und es würde die Möglichkeit bieten, im calvinistischen Kurfürstentum Pfalz für ein Wiedererstarken des katholischen Bekenntnisses Sorge zu tragen.

Abschluss dieser Wiederannäherung und zugleich wichtiges Mittel zum Erreichen des Zieles der pfälzischen Erbfolge war die Eheschließung seiner ältesten Tochter Eleonora Magdalena mit Kaiser Leopold I. im Dezember 1676. Dass sie ihren Vater bei der politischen Vorbereitung dieser Erbschaft unterstützte, belegen unter anderem die hier edierten Briefe. Die Kaiserin spielte zweifellos eine Rolle in der Kooperation mit Wien, die sich nach 1680 intensivierte, als der Erbfall sich immer deutlicher abzeichnete. Im Frühjahr 1685, wenige Tage vor dem Tod des Kurfürsten, konnte der Schwäbisch-Haller Rezess geschlossen werden. Mit dieser Einigung wurde Philipp Wilhelm definitiv zum Erben des kinderlosen Kurfürsten Karl II. (1651–1685) aus der Kurlinie Pfalz-Simmern.

Obwohl ihm die Stärkung des katholischen Bekenntnisses ein großes persönliches Anliegen war, agierte Philipp Wilhelm als Kurfürst in der reformierten Kurpfalz zunächst recht zurückhaltend und gewährte Nicht-Katholiken weiter Religionsfreiheit. Erst sein Sohn und Nachfolger Johann Wilhelm ergriff hier ernsthaftere Maßnahmen. Möglicherweise war die Zurückhaltung des Vaters aber auch dem Umstand geschuldet, dass seine Regierung als Kurfürst seit August 1688 vom Pfälzischen Erbfolgekrieg überschattet wurde, den Ludwig XIV. von Frankreich (1638–1715) wegen (angeblicher) Gebietsansprüche seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte von Orleans (1652–1722) führte, einer Tante des letzten Kurfürsten aus der Linie Pfalz-Simmern. Philipp Wilhelm und seine Gemahlin mussten mit dem gesamten Hof aus Heidelberg fliehen und hielten sich in der Folge meist in Neuburg an der Donau auf.

Spätestens seit Beginn der 1660er Jahre trat Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg als strategisch, diplomatisch und personell weitsichtiger Planer mit „unbegrenztem Selbstvertrauen“ (Schmid 2017, S. 244) in Hinblick auf seine Familienpolitik in Erscheinung. Zunächst zielte er dabei schon früh darauf ab, seinen jüngeren Söhnen Karrieren in der Reichskirche zu sichern. Dazu beschaffte er beispielsweise in Rom Altersdispense für mehrere noch sehr jugendliche Söhne, um ihnen früh Ämter und Pfründen sichern zu können.

Die Ehe seiner ältesten Tochter Eleonora Magdalena war einerseits ebenfalls ein Erfolg von Philipp Wilhelms Familienpolitik – unterstützt vom Wiener Hofkanzler Johann Paul Hocher (1616–1683), dem pfälzischen Vizekanzler Theodor Stratmann (1637–1693), der später am Kaiserhof Hocher beerben sollte, sowie von Kaiserin-Witwe Eleonora Gonzaga-Nevers (1630–1686) gelang die Verbindung des Hauses Pfalz-Neuburg mit dem Kaiserhaus. Andererseits war Kaiserin Eleonora Magdalena vom ersten Tag an eine wichtige Unterstützerin in Wien, die in die Karriere- und Eheplanungen für ihre jüngeren Geschwister einbezogen war. Dies galt schon für die Eheschließung ihres ältesten Bruders Johann Wilhelm mit der jüngsten Schwester Kaiser Leopolds I., Erzherzogin Maria Anna (1654–1689), die 1678 zustande kam. Dies galt aber auch für geistliche und militärische Karrieren der jüngeren Brüder und Eheschließungen der Schwestern.

Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der seit 1676 unverbrüchlicher Verbündeter des Hauses Habsburg im Reich war, starb im Frühherbst 1690 während eines seiner regelmäßigen Besuche in Wien. Von der Forschung wird Philipp Wilhelm bis heute eher im Zusammenhang mit seiner Annäherung an Frankreich, mit der Beendigung des Jülich-clevischen Erbfolgestreits sowie mit den konfessionspolitischen Maßnahmen nach der Übernahme des Kurfürstentums Pfalz behandelt. Seine späteren Jahre wurden allenfalls im Zusammenhang mit der Heiratspolitik dargestellt, ohne seine reichspolitische Bedeutung umfassender zu behandeln, ganz zu schweigen vom Zusammenwirken mit seiner Tochter, der Kaiserin.

Literatur (Auswahl)

https://www.deutsche-biographie.de/sfz60354.html#indexcontent

Fuchs, Peter: Philipp Wilhelm. In: Neue deutsche Biographie, Bd. 20. München 2001, S. 384–385.

Hufschmidt, Anke: Konversion konkret: Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt (1635-1709) und ihr Übertritt zum katholischen Bekenntnis. In: Alexander Jendorff und Andrea Pühringer (Hg.): Pars pro toto. Historische Miniaturen zum 75. Geburtstag von Heide Wunder. Neustadt an der Aisch: Schmidt 2014, S. 139–152.

Jaitner, Klaus: Reichskirchenpolitik und Rombeziehungen Philipp Wilhelms von Pfalz-Neuburg von 1662 bis 1690. In: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 178 (1976), S. 91–144.

Press, Volker: Zwischen Versailles und Wien: die Pfälzer Kurfürsten in der deutschen Geschichte der Barockzeit. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 130 (NF 91) (1982), S. 207–262.

Schmidt, Hans (1973): Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg als Gestalt der deutschen und europäischen Politik des 17. Jahrhunderts. Bd. 1: 1615–1658, Düsseldorf 1973.

Schmidt, Hans (1982): Zur Vorgeschichte der Heirat Kaiser Leopolds I. mit Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 45 (1982), S. 299-330.

Schmid, Josef Johannes (2017): Der Herzog und sein großer Plan. Die letzte Generation des Hauses Pfalz-Neuburg: Konfession, Familie, Politik und Reichskirche. In: Michael Henker, Markus Nadler, Michael Teichmann, Roland Thiele und Winfried Dier (Hg.): FürstenMacht & wahrer Glaube. Reformation und Gegenreformation: das Beispiel Pfalz-Neuburg. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, S. 244–250.

Schnettger, Matthias: Kurpfalz und der Kaiser im 18. Jahrhundert. Dynastisches Interesse, Reichs- und Machtpolitik zwischen Düsseldorf / Heidelberg / Mannheim und Wien. In: Harm Klueting und Wolfgang Schmale (Hg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander (Historia profana et ecclesiastica, 10), München: Aschendorff 2004, S. 67–95.

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