Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1710.05.10

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10

Ausfertigungeigenhändig

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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Dero liebste schreiben vom 1ten merz vndt 13ten 0003passato hab woll empfangen. Vndt gleich mihr 0004allzeit ein großer trost ist zue sehen, das dero Liebden mich 0005annoch in dero liebsten gedechtnus erhalten vnd 0006in dero confidenz continuiren, so können dero Liebden auch 0007versichert sein, das ich alle gelegenheit mitt 0008freüden emplectirn werde, warinnen ich meine 0009bestendige schwesterliche lieb ihnen erweißen könte. Die 0010mainzische sach betreffent können dero Liebden versichert 0011sein, das ich mitt freüden alles bey dragen werde, 0012was immer dazu möchte beförderlich sein.


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0013Jezt ist die sach an dem, das eine conferenz 0014darüber solle gehalten werden, wie man die 0015sach also incaminiren könne, das der effect 0016erhalten werde, der Curfürst aber, welcher sich doch 0017sonsten in allem gegen dißes haus wie auch gegen 0018vnser curhaus so woll erzeiget hatt vndt auch 0019in dißen kriegs conjuncturen nötig ist in seiner 0020gutten intention bey zubehalten, nit vohr den kopf 0021gestoßen werde. Der Reichsvizekanzler macht ville contes- 0022tationen, wie er vordrist, sein vatter vnd ganze familia 0023es verlangen vnd sich bemüen, den Curfürst zu 0024bewegen, welcher aber in dißer sach im ein punto 0025macht vndt glaubt, wan der Deütschmeister den Curfürsten zu 0026obligiren sich von der residenz dispensiren liß vndt 0027auf etlich monat in Schlesien gieng, so wurd der 0028Curfürst ender zu disponiren sein, ihm zum coadiutorn 0029zu begern, vndt er, Reichsvizekanzler, wolt sich auch selbsten


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0030schiken laßen, dises negotium beim Curfürsten zu 0031richten. Es scheindt aber dißer modus etwas 0032gefährlich ohne merer sicherheit zu reusiren, doch wan der Curfürst hernach es nit däht, 0033wäre die sach schlimmer als zuuohr. Also wirt der 0034Keiser eine conferenz darüber halten, welche 0035bis dahto wegen anderer negotion, auch einwehnich 0036wegen der beyß, noch nit gehalten worden, werde 0037aber dazu verners andreiben. Weil iezt der frid 0038zerschlagen, wurde gutt seyn, wan Sinzendorf auch 0039in der durchreis dorten das dem Löwfenstein möchte 0040die sach zu gemüet füren, welches er gahr gern 0041duen wirt, vndt hoffe ich zu gott, das entlich die 0042sach glükhlich ablaufen werde. Ingleichen kan ich nitt 0043vmbgehen, dero Liebden in höchsten vertrawen zu berichten, wie das 0044der Bischoff von Osnabrukh Liebden mihr verträulich 0045eröffnet, das er in dem tririschen capitul bereits 0046eine gutte partie hab. Weil er aber in allem 0047sein vertrawen zu dero Liebden gesezt, so hatt er mich gebetten,


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0048es innen zu eröfnen vndt bestens zu reccomendiren, 0049damit dero Liebden dero dependenten, als den Gimmenich vndt 0050andere auch, in geheim disponiren möchten, das 0051votum ihr Liebden zu versichern. Herdurch werden dero Liebden 0052gott, der religion vnd dem publico ein vortel befordern, 0053das ganze haus Lottring innen ewich obligiren vnd 0054ich auch dero Liebden daruohr verbunden alzeit bleiben werde. 0055Leztligen wegen des Clarstein, so hatt man hier gahr 0056woll seinnen fähler erkent, vndt wirt er seine 0057gutte correction vndt fils darumb bekommen. 0058Es dähte auch der Keiser dero Liebden gern die satisfaction geben, 0059ihn zu amovviren, allein ist gewißlich ein große scar- 0060sezza an leüten vndt ware keiner derzeit, der 0061die sachen also versteht, den man dazu gebrauchen könte, 0062hoffe also, dero Liebden werden durch dero angeborne gütte wie auch 0063durch die lieb gegen den Keiser vnd sein dienst sich vohr dis 0064mahl contentiren mit der gutten correction, vnd das hinfüro 0065dergleichen solle nit mehr geschen. Ich hoffe auch, das 0066wegen meiner dero Liebden auch ehnder sich consentirn mit disen werden, 0067die ich hernach in andern inen wider beßer werde dienen können, die ich


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0068niks mehrer verlange, als in allen gelegenheit 0069zu zeigen, das ich bestendig verbleiben werde 0070dero Liebden 0071getrewste schwester 0072Eleonora 0073Wien den 10ten maij 17100074Ich hab mich vnterstanden, dero Liebden vom 1ten, 12ten und 27ten merz 0075in vnterschidligen materien meine meinung vertraülich 0076zu eröffnen. Weilen ich aber ggahr keinen antwort darauf 0077bekommen, förchte etwan, das ich alzufrey etwan 0078geschriben oder etwan vnwißent vnd gewißlich 0079wider meine intention etwas, so dero Liebden nit 0080woll genommen, welches ich mich examinirt, 0081zwar niks gefunden, hoffe aber wan etwas war, dass dero Liebden, 0082aus der lieb vnd vertrawen, so sie alzeit gegen mir0083erwisen, mihr es nit allein nit übel nemen, sondern 0084mihr es widerumb vertraülich wurden erinert 0085haben, dan ich hoff, das sie von mir glauben, das mein gemütt 0086gegen sie bestendig vnt vnuerenderlich in der lib bleiben 0087dut.


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0088Ihr Liebden herrn Curfürsten zu Pfalz, 0089meinen herzallerlibsten herrn brudern