Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1710.12.31
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Ich schäme mich, das ich so lang nit geschriben, hatt halt 0003dise zeit herumb so vill occupationes geben dise 0004heilige zeit, vndt ist mihr auch die mein enikl krankh 0005worden vndt hat die blattern bekommen. Die ersten dag, eh 0006man gewist, was es ist, bin bey ihr gewest, hernach 0007aber doch alledag zum parlatori gangen, gottlob aber 0008ist sie gutt daruon kommen. Gahr vill hatt sie 0009gehabt, gescheket wie ein tiger, aber gottlob keine 0010maßen, ich wüntschete, das es die kleine auch 0011so gutt überstanden hette. Dero Liebden sage herzlig dank, 0012das sich mit mihr erfrewen wegen meins sohnen von 0013gott allein verliene victori, scheindt aber, das alles 0014fruchtloß nit allein, sondern auch gefahrlich derfete 0015sein, wan nit balt ein ansehnliger succurs
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0016kombt. Frankhreich macht den lezten effort vndt flatirt 0017sich mit den englischen troublen vndt den türken wider Mozcaw 0018declarirten krieg. Es ist jezt ein große crisis, der 0019liebste gott wolle alles zum besten schiken nach seiner 0020er. Die abgeschmachten portugeßer wollen sich nicht rüren, 0021ich hoff, wan die engelender hinein kommen, werdens 0022dazu brengen, man hatt woll vhrsach, gott zu bitten. 0023Was der Sinzendorf dero Liebden gemelt va di mal in0024pegio, ich crebir schir darüpe0025r. Ich weis nit, ob ich recht geschriben, dan es auswendig 0026geschriben, habe nit zeit gehabt, die ciffer aufzu suechen. 0027Wegen der Baroness will mit mein sohn reden. Wegen 0028Napoli findt ich einmahl nit, das es weder 0029vnsren bruder Carl noch dem haus convenirt aus 0030villen vhrsachen, so woll wegen des decoro als sonsten 0031der convenienz, vndt bitte zu persuadiren, dauon 0032abzustehen. Mitt den jezigen gouerno seint alle 0033überaus content, gott geb weiter sein gnad. 0034Des Balbini seine sachen weis ich nit, wie zu
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0035nemmen, dan ist mihr sehr suspect, das ihr brif 0036an mich nuhr von ihres Obersthoffmeister handt 0037durchaus geschriben, welcher des Torsi sein eiden NB, 0038vndt etlige zeilen von ihrer handt in deütsch, 0039welche, nachdem mein sohn vndt ich recht betracht, 0040uns auch sehr zwifelhafftig vohrkombt, obs ihr rechte 0041handt sey. Also haben wir hier resoluirt, gahr nit 0042schrifftlich zu antworten, sondren ihme müntlich 0043gesacht, das sie sich auf meine bede söhn 0044als ihre trewe vettern verlaßen könne, das 0045nit allein beim friden, sondren in allen gelegenheiten 0046man sich ihrer werd annemmen, das sie mitt 0047allen decoro als ein verwittibte schpanische 0048Königin wie ihre vohrfarerin werde bestehen 0049können. Das dero Liebden vohr die guette Aya so vill heilige 0050meßen haben wollen leßen laßen, wirt ihnen der liebe 0051gott vergelten. Ich hab mein Freile Hoffmeisterin, die Gilleßin, 0052des Guido Starenberg, der so vill vohr mein sohn dut
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0053sambt ein beylaag0054in Schpanien, schwester zue ihrer Obristhoffmeisterin gemacht, vnd 0055duet sie gahr woll bedienen. Es werden dero Liebden so vill 0056occupationes haben, das ich sie nit langer mitt mein 0057abgeschmachten schreiben bemüehen will, mich in dero 0058vnschazbar affection befehle, lebe vndt sterbe 0059dero Liebden 0060getrewste schwester 0061Eleonora 0062Wien den lezten in 1710 iahr 0063Vnterstehe mich, dero Liebden dises memorial beyzuschlißen, 0064weilen es von einem alten trewen camertrabanten 0065meins Kaiser sehlig, welcher noch mein sohn dient gahr 0066trew vnd fleisig, also ihm woll vergunt dero Liebden gnaden, 0067dan alles was bey mein Keiser sehlig dient, mihr noch sehr 0068angelegen ist vnd mich dero Liebden, wann sein begeren sein 0069kan, damit obligiren werden. 0070Vnser Deütschmeister hoff ich balt hie zu sehen, gratuliere0071nochmahln dero Liebden wegen der glükhligen wahl.
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