Ausfertigungeigenhändig

178 ros-id-1

0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002In disen meinen bedrübtisten standt vndt schwehren aufgedragenen 0003last hab ich zu dero Liebden inn allen meinen anligen negst gott mein 0004einzigs vertrawen als meinen allzeit liebsten papa, das sie 0005mich nit verlaßen, sondren in allen an die handt stehn werden. 0006Sie können auch in allen das meiste duen, als sie Reichs 0007Vicari seindt, insonderheit in disen district, was sie 0008meinen liebsten sohn Carl, der mihr iezt allein überbleibt, 0009mihr vndt diesen ganzen haus dero vatterlige lieb in 0010der daht zum besten erweisen können. Insonderheit wegen 0011der administration von Beyren, woruon ich mihr zwar ohne 0012dis die ganzlige hoffnung mache, das dero Liebden, in dem 0013hoffentlich die wahl eines newen Keisers balt vohrsich 0014gehen vndt aus dero zuduen, auf welches ich mein ganz fondament 0015machen, hoffentlich auf meinen glibsten sohn auschlagen möchte,


178 vos-id-2

0016es auch nicht der mue wert wäre, einige enderung vohrzunemmen. Zue deme 0017due dero Liebden offenherzig berichten, das wan dises entzogen wurde, weilen es 0018sich auch sobalt nicht duen ließe, in dem die contributionen, so man verwichen 0019winter quartier vndt andren credits parteien angewiesen, müsten vohrhero 0020eingebracht werden, sonsten daraus die höchste verwirrung entstehen 0021wurde, in dem die regimenter im velt nit stehn, die liuranten 0022die liurung nicht duen vnd die anticipation, so man vor des 0023Königs reiß zu duen verhofft, gänzlich zurukh gehen vndt dero Liebden 0024selbsten erkenen werden den schaden, so dem publico dardurch zue waxen 0025vndt, inen in vertrawen gesacht, die beforstehenden völlige 0026ruin dißes haus sich ereignen wurde. Wie mihr dißes 0027zu herzen geht, könen dero Liebden leicht ermesen, das, in dem ich 0028den last der regirung übernemmen müßen, das haus vnter 0029deren solle so zue grundt gericht werden. Ich verlaß mich 0030ganzlich auf mein liebsten papa, das sie innen vndt 0031mihr ein so groß meritum bey meinen sohn dardurch 0032werden machen wollen, welches zu allerseits consolation, 0033wan ich noch einiger fähig wäre, gedeien könte. Dero Liebden wollen 0034consideriren, was vohr schaden dis haus von beden abgesezten Cuhrfürsten 0035erlitten, so woll in vorder vndt ober östereichischen landen als in Tiroll, 0036jah wegen dißer beyrischen veintsehlichkeit ganz Vngren verlohren gangen, 0037welches man mit vnauschprechligen vnkosten, so das land Beyrn


179 ros-id-3

0038vill zeit nit wirt ersezen können, wider gewinnen müeßen vndt noch 0039nit völlig erobert ist, dahero auch billich, das desen genueß dißen 0040haus noch nicht entzogen werde. Vndt lebe ich dißer trostligen 0041zuuersicht vmb so mer, als dero Liebden, so vill die administration 0042vnd genuß dises landts angeht, ganzkeine verenderung machen 0043werden, weil es inen nit den geringsten nuzen, woll aber vill verdrißlichkeit 0044bringen wurde, in dem, wie ich vernem, gemes der goldenen 0045bull dero Liebden doch die einkunften nit behalten, sondern zue die 0046kaiserlige hauß anzuwenden schuldig währen. Also, mich gänzlich 0047auf dero lieb verlaßendt, hab ich mich erklärt zu 0048denen 300000 gulden zur kriegs cassa verwilligten, nit allein das 0049beyrische vndt ostereichische contingent, vngeacht selbiges 0050wegen der fränkischen supernumerari creis volker einbehalten 0051werden könte, baar abfüren zu lasen, sondern noch darüber 0052aus den beyrischen einkonften ander 100000 gulden zue der criegs cassa 0053beyzudragen. Wie nötig dißes zu des Reichs sicherheit ist, 0054wißen dero Liebden zumbesten, könte aber nicht geschen, wan in 0055dortigen administratioro die geringste enderung gescheen solte. 0056Bitte nochmahlen, dero Liebden wollen mich in disen anligen nit verlaßen, 0057ihnen dardurch das große meritum bey mein sohn, disen haus vndt 0058derganzen nachwelt machen, das sie ein arme, sonsten


179 vos-id-4

0059doht bedrüebte, dopelt verwitibt vndt verweiseste schwester 0060nit verlaßen vndt dißes gewißlich sonsten sehr in gefahr stehndes 0061erzhaus vnd meinen liebsten sohn, der auch gegen dero Liebden absonderlige 0062lieb allzeit gehabt, erhalten haben. Ich aber werde leben vndt 0063sterben 0064dero Liebden 0065getrewste schwester 0066Eleonora 0067Wien den 3ten maij 1711