Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1713.11.13
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/11
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtigster Curfürst, mein herzliebster herr bruder 0002Vohr erst hab ich vmb vergebung zue bitten, das so 0003lang auf dero liebe schreiben nit geantwort. Ist deils 0004die vhrsach dise geweste heilige zeit vndt sehlen octav, 0005hernach die gala dag wie auch, das ich die notwendige abschrifften 0006vndt nachrichten eben des wegen nit ehender haben können. Due 0007also erstlich dero Liebden schuldigen dankh erstatten vohr alle liebreiche 0008expressionen, welche ich mich werde befleißen nach allen 0009krefften zue meritiren. So dan erfrewe mich von herzen, 0010dero gutten wollstandt zu vernemmen, bey welchen ich den 0011güttigsten gott bitte, dero Liebden durch vnzahlbare iahr bestendigst 0012zue erhalten, wie ich dan auch nit zweifle, dero Liebden werden in 0013continuation deren sorchfältig continuiren, dem medico in allen zu
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0014gehorsamen, in allem, waß zue dero gesuntheit gedienen 0015möge. Wegen des Bischoffen von Konstans wirt der Keiser den FürstLebwestein 0016Lebenstein anbefehlen, dise sachen so woll beim capitel als 0017sonsten zu representiren, das sie nit sollen vbereilen, in dem 0018vnser herr bruder noch in solchen standt, das man gahr woll seine 0019geneßung annoch verhoffen könne. Hierbey kommen auch 0020in vertrawen die abschrifften deren schreiben vom Keiser an vnsern 0021bruder Carl vnd deßen antwort auf mein schreiben, welches den 14ten 0022verwichnen monats ablaufen laßen vnd sicher bin, das es im 0023in eigne handt gelifert worden. Hab gahr keine antwort 0024erhalten, welches mihr zwar schon vohrhero also eingebildt, 0025weilen dergleichen von ihme öffters erfahren, also dero Liebden werden 0026dero mesures zue nemmen wißen. Den Deütschmeister anlangendt, 0027wie gern auch der Kaißer zu dero Liebden satisfaction ihme 0028dise reis erlauben wolte, so seint dise conjuncturen, 0029wie dero Liebden selber bekandt, so schwehr iezt, dah die einquartirung 0030der troupen und deren verpflegung einzurichten, auch iezt eben 0031der fürstendag seinen anfang nemmen solle vndt
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0032der Kaißer allein sich auf ihn verlaßen kann, welcher zu 0033meiner absonderligen consolation von iedermaniklich das 0034lob, wie eifrig vndt woll er dorten alles zu des publico, 0035der religion vndt des Kaißer dienst einricht, nit genug kan 0036gerüembt werden, welches der Keiser auch mit absonderligen 0037dankhbaren gemüet erkenet, so ists sehr schwehr, das er jezt 0038solte abweßendt sein. Wirt aber hoffentlich balt 0039das notwendigste einrichten können, in deme auch der güttigste 0040gott scheinet auf das votum, so der Kaiser gemacht, sich 0041gnädigst zu erbarmen vndt die krankheiten allerorten, insonder- 0042heit hier, merkhlich nachlaßen, so das deren behruigung von seiner 0043vnentligen barmherzichkeit balt vollig zu hoffen, so wirt 0044der Kaißer, so balt es ihmmer möglich sein wirt, 0045ihne gahr gern dise reis erlauben, der allwisende 0046gott wolle alles dirigirn zu seiner ehr, der religion 0047vnd des gemein besten. Bedankhe mich auch der nachricht, 0048so dero Liebden mihr geben wollen des fahler, so in der abschrift 0049des Fedl seines schreiben geschen, es gibt überall turbationes, 0050gott wolle alles übel gnädig abwenden. Leztlichen vntersteh mich,
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0051sambt zwey beylagen0052dero Liebden vnser libe schwester Lischen bestens zue reccommendirn, es seindt 0053halt iezt so schwehre zeiten, das der Kaißer nit alles, wie er 0054woll gewüntscht hette, hatt derzeit prestiren können, also sie 0055mihr dise schreiben zuegeschikt, dero Liebden bestens zu reccommendiren, 0056das sie etwan auch möchten concuriren, den abgang zu er- 0057sezen. Zweifle nit an dero lieb, ich wünschte, das es 0058in meiner macht wehre, es duen zu können, allein wisen 0059dero Liebden selbst, wie es bestelt ist, sie seindt vnser aller- 0060liebster papa, werden sich das libste kindt lasen befohlen 0061sein. Von vnser armen Königin bekomme ich auch ein 0062lamentation über die andre, iezt last sich vnmoglich niks 0063duen, der Kaißer wirt alles gern vohr sie duen, wan es zue 0064ein friden kommen soll, werden dero Liebden auch das ihrige nit vnterlasen. 0065Ich aber werde leben vndt sterben 0066dero Liebden 0067getrewste schwester 0068Eleonora 0069Wien den 13ten novembris 1713 0070Der Marschalkh von Bischof von Costniz 0071ist noch nit ankommen.