Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1706.05.28
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 45/7
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerliebster herr bruder 0002Mitt der gutten gelegenheit des Wißers hab ich nit vnterlaßen 0003wollen, ihn mit dißen zeilen zu accompagniren vndt vohr 0004allem dero Liebden iniglisten dankh zu erstatten, das sie so generosamente 0005die troupen haben marchiren laßen. Ich mueß dero Liebden auch mein 0006große vermeßenheit bekennen, das ich, weilen ich gesehn, 0007das periculum in mora vndt durch längere aufhaltung 0008der troupen das totum auf den schpiz gestelt vndt in 0009höchste gefahr gesezt würde, vndt der Wißer auch ein gutte 0010resolution hatt heraus bekommen, welche er dero Liebden überbringen 0011wirt, warinnen mein sohn das verschprochene confirmirt 0012vndt verlangt, das dero Liebden iemandt gefollmächtichten hier 0013schiken, mit deme man die sachen vollich ausmachen könne, 0014so bin ich so lang an ihm geweßen vndt habe auch entlich 0015alles auf mich genommen, bey dero Liebden zu verantworten, das 0016er die ordre durch eignen courir der beschleünigung des 0017marsch an die troupen abgeschikt. Ich beken, das 0018es von mihr ein all zu großer vermeßenheit ist
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0019geweßen, habe mich aber auf dero Liebden gütte vndt mihr alzeit erzeigte 0020lieb verlaßen, dasie mihr es nit übel nemmen werden, die 0021ich dazu aus lieb des publico, meiner beden söhn vndt dero Liebden 0022selbsten dazu bin angedriben worden. Jezt hoff ich es vmb so mehr, 0023als dero Liebden ohne dis auch schon dise ordre haben ergehen laßen. 0024Ich kan dero Liebden nit genung sagen, was mein sohn, der Keiser, darüber 0025vohr ein freüdt erzeiget hatt, vndt waß vohr ruem dero Liebden dadurch 0026nit allein beim hisigen ganzen hoff, sondern bey allen alijrten sich dar- 0027durch erwerben, dan hoffentlich dißes der sach das peso geben wirt. 0028Von mein sohn haben vnterschidlige zeitungen, deils gahr zu 0029gutt vmb zu glauben, deils mitelmäßich, steh halt alzeit 0030zwischen hoffnung vndt forcht, bis nitt etwas gewiß erfahre. 0031Die diuersion in Italien wirt ihm hoffentlich luft machen, 0032es ist eben so bedrüeblich, das man weder schreiben bekombt noch 0033schreiben kan. Haben izt probirt, den Colonitsch, welcher bey dero Liebden wirt sein 0034geweßen, mit der großen flota hinein zue schiken, dan der secre- 0035tari, so mihr auf Genua geschikt, noch dorten sizt vnd nit weiter 0036kan, wan er nit izt, wan die zeitung vom Toulouse wahr 0037were, hinüber ist. Der Golnitsch wirt dero Liebden auch relation geben 0038so woll von vnsrer kleinen mam als der von Wolfenbüttel, 0039welche er allebede sehen solle. Indeßden hatt der Deütschmeister, 0040vngeacht, das er in seiner hiesigen ahnwehsenheit gegen mich so starkh 0041protestirt, sich vmb das Bischtumb Münster nit mer zu arbiren,
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0042einen Deütschern von Stein her geschikt, die sach bey mein sohn anzubringen 0043vndt die erlaubnus hinunter zu reißen zu begeren. Nuhn hab 0044ich zwar dero Liebden schon in 2 schreiben hirin ausfürlig geschriben vndt alle 0045motiua vohrgedragen, so derwider seint, alß nemmlich, das mein 0046Keiser sehliger, anderten mein sohn vndt ich wie auch dero Liebden selbesten dem 0047Bischoff von Osnabrukh die assistenz verschprochen, welches impegno zuerukh 0048zu nemmen nit mit gewißen sein kan, auch vor der ganzen welt 0049nit wohl stehen wurde vnd schlechten credit auf vnser aller- 0050seits parola bey allen könftig hin finden würden. 2 das der Deütsch- 0051meister wie oben gemelt selbsten das widerschpil protestirt hatt, welches 0052hier vndt überall als ein so gahe verenderung wehnig aprobation 0053findet, dan es wahr ihm ernst oder nit. Ists das erste, so zeigt er ein 0054große vnbestendichkeit, ists das andre, so werden dero Liebden ihm selber 0055nit aprobiren, das er mihr vnd durch mich mein sohn etwas con- 0056testirt, das er das widerschpill im herzen hatte. 3ten das, wie schon 0057offters gemelt, nötig iah höchst nötig, in vill mehr zu verheiraten um0058die succession zu stabiliren. 4 das zu besorchen, das vnder zwehen 0059streidenden der dritte vnd ein franzosiche creatur damit durch 0060gehen werde. 5te ist diese gefahr darumb größer, weil mein 0061sohn schon mit disen impegnirt vndt also nit vohr ihn sein kan, 0062Preüßen, Halandt vnd Engeland aller politica nach alls 0063in der welt duen werden zue verhinderen, das durch erlangung 0064dises bischoff vnser cuhrhaus ihnen so ein mächtiger nachbar 0065seye, wie sie dan das vohrige mahl schon den Deutschmeister verhindert haben.
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0066Vndt also 6ten, wan dero Liebden vndt der Deütschmeister den Bischoff von 0067Osnabrükh verhindren vnd er, wie ich sicher glaub, von den obenenten 0068verhindert, keiner von beden dazu gelangen wirt. Ich hab 00697ten entlich proponirt, wan iah er sich nit also gleich zu heiraten 0070resoluiren wolt, ob er nit ehnder auf Trier, welcher Cuhrfürst 0071zwar beßer, aber hohen alters halber nit lang mehr dauren 0072kan, wolte andragen. Vnterdeßen sehte man, ob hoffnung zue 0073sucession bey bruder Carl oder nit, vndt er sich alsdan resoluiren könt 0074mit mehre bestendichkeit zu einen oder andren standt, 0075auch zue disem, gleich wie dero Liebden vnd er den Bischoff von Osnabrukh 0076iezt an die handt stehn, also dort hinwidrumb er vndt mihr 0077alle dem Deütschmeister mit allen krefften würden assistiren, 0078wardurch die gutte einichkeit schwischen vnsern cuhrhaus vnd den haus 0079Lottring, welche ich förcht sonst ganz zerfallen wirt, erhalten, dem 0080publico gedient, vnser cuhrhaus mit 2 curfürsten auch 0081disem erzhaus große dienst duen könte. Ich hab in allen disen vndt 0082andren puncten dem Wißer müntlich mit mehren aufgeben, es dero Liebden zu hinderbringen, 0083bitte, dero Liebden wollen glauben, das es gewis alles aus wollmeinenden vndt 0084liebsvollen herzen herüret. Mus auch der warheit zu steür den 0085Wißer so woll wegen seiner capacitet vnd guetten condota als großen 0086lieb vndt vnuerdroßenen eifer zu dero Liebden dienst anrühmen, 0087das er gewis kein mühe noch arbeit schpahrt vnd mit großer 0088trew dienet. Der Bischof von Rab ist Cardinal worden, also bitt nochmahl, 0089dero Liebden wollen sich mit ihm wider in alte vertreülichkeit sezen, er wirt dero Liebden zu Rohm 0090gutte dienst leisten, der Papst mag ihn woll leiden. Due mich dero Liebden befehlen vnd werde 0091sterben 0092dero Liebden 0093getrewste schwester 0094Eleonora 0095Wien den 28ten maij 1706