Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1709.01.19
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Aus dero liebsts schreiben vom 3ten dis hab ersehen dem heiligen 0003eifer, so dero Liebden dragen gegen vnser allein sehlichmachende 0004religion, vndt dahero vohr alles verlangen, das zwischen 0005hiesigen vndt romanischen hoff die differentien möchten auf 0006das baltiste beygelegt werden. Ich kan dero Liebden versichern, das 0007von hieraus man alles dazu beydrag, vmb die 0008sach zu facilitiren, allein scheinet es, das man dorten 0009immer newe difficulteten herfohrbringet vndt 0010also die sach auf die lange bahn zu protrahiren, 0011welches aber nit sein kann vnd man wißen mueß, 0012an wem man ist, der termin auch schon zu endt 0013geht. Wegen Monsignore Piazza hab ich vohrigs mahl vergeßen 0014zu schreiben, daß wan er auf dise weis, wie dero Liebden mihr schreiben,
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0015kommen wirt, man in hier nit recusiren werde. Ich her aber, 0016ihr Heiligkeit haben ihn von Venedig widrumb zurukh geruefen vndt 0017er werde nit mehr her kommen. Wegen der garantie von 0018Modena, das hatt man schon mit eignen courir hinein 0019geschikt, das meriste ist wegen agnition meins sohn als 0020König in Schpanien . Darüber hatt man von hier den Priee 0021auch mit eignen courir ausfürlich instruirt 0022vnd wirt er in deßen auch antwort aus Schpanien bekomen 0023haben. Wan der Heilige Vatter nuhr nit alleweil newe 0024diffculteten auf die ban bringt, hoff ich, soll es 0025gutt verglichen werden. Er duet sich aber gahr zu parcial 0026gegen den Duc d' Anjou in allem zeigen, wie dan iezt 0027widrumb von der inquisition ein solche schrifft vnd 0028befehl an die geistlichkeit in sein fauor vnd meins 0029sohns prejudiz ausgangen, das vnberschreiblich ist. Heüdt 0030hatts nit können abgeschriben werden, werds aber dero Liebden mit 0031nechstem schiken. Ein endt mues sein, o dentro, o fuori, 0032von hier hatt man solche passus gedahn, das die ganze welt 0033kennen mues, wan es nit geschicht, das man hier nit 0034daran schuldig ist. Dero Liebden wollen nuhr dorten auch so eifrich so-
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0035licitiren, als sie an mich geschriben, so hoffe einen gutten 0036effect. Auch ist heündt der Marchese Lonfrano aus Catta- 0037lognen kommen, den schlechten vnd gefahrligen standt 0038von dorten zu representiren, wan nit krefftig sucurirt 0039wirt, dan alle die diuersionen niks helfen, weil die 0040troupen, so dorten, lauter schpanier vnd kein man daruon 0041in Frankreich gehn wirt. Defensiue kan er nit stehn, 0042weil keine vestung mehr vbrich als Girona vnd 0043Barcelolona. Bitte also, dero Liebden wollen doch, die allzeit so 0044vill lieb vohr mein sohn gehabt, ihm iezt assistirn 0045mit eilfertiger recroutirung dero troupen in 0046Cattalognen, welche zimlich abgenommen vnd nit 0047vill über 3000 man mehr zum dienst sein. Ich hör auch, 0048dero Liebden wollen dero troupen aus Niderlandt zihen, das 0049ist woll ein großes contratempo. Ich hoff aber, 0050dah dero Liebden so vill gedahn, werden sie iezt, dah es scheinet, 0051das die könftige campagna vast decisiu sein 0052wirt, sich nit zurukh zihen, sondern was sie so 0053generos angefangen bis ans endt glükhlich vndt 0054bestendig ausfüren. Auch kan ich dero Liebden nit verhalten, das 0055man sich hier sehr beklacht, das dero Liebden abgeordnete in der
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0056Oberen Pfalz so woll wegen der weißenawr vnterdahnen als ander 0057der Kron Böhmen heimgfallene lehen ohne erwart des 0058kaiserligen commissarij, welcher die sach vntersuechen 0059sollen, via facti ansich gezogen haben, ingleichen, das 0060dero Liebden die verglichen belehnung, so von dero gesanten vermittels 0061abgelegten lehens eidt beschworen worden, nit vnterschreiben 0062vnd ratifficiren wollen. Bitte doch, dero Liebden wollen, nachdem 0063mein geliebster sohn, der Keiser, ihnen mitt solcher lieb vndt freüdt die 0064belehung geben, iezt durch dergleichen dähtichkeiten solches 0065nit verbittren, sondern alles, wan auch etwan dero Liebden ver- 0066meinen, was mehres pretendiren zu können, mit glimpf 0067representiren vndt vergleichen laßen, auch den kayserlichen commissari 0068anemmen, mit ihm die sach erörtern vndt nit via 0069facti mit gewalt procediren. Es ist auch der Fürst 0070Lamberg bey mihr gewest vnd hat bey gebracht, das dero Liebden von 0071Leichtenberg ein lehen mit gewalt vnd fremden troupen 0072beßezt, welches die bömisch canzley pretendirt, das es ganz 0073klar dem Königreich Böhmen zu gehören. Er protestirt sehr, 0074das wan ers schon in posses gehabt, er sich in allem dero Liebden submi- 0075tiren wolle, aber izt sey es dem Keiser wekh genommen, vnd ist 0076gewiß, das der Wratißlaw, welcher sonst gahr nit des 0077Lamberg sein freündt ist, auch es vnbillich halt vnd das
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0078wider den Keiser dero Liebden gahr hart verfahren, welches der 0079Keiser billich empfinden müeße vnd auch schuldich 0080sey vermög seiner königligen pflichten, seine böhmische 0081lehen zu manteniren. Ich bitt, dero Liebden wollen doch in allen 0082disen sachen sich nit übereilen, den Keiser vmb ein 0083solche sach offendiren vnd ihnen auch andere zuwider 0084machen. Es ist allzeit beßer, die leüt zu freündt als 0085feindt zu haben, in sonderheit den Lamberg betreffendt 0086wißen dero Liebden, wie empfintlich der Keiser ist. Ich mus 0087auch gestehen, das er Lamberg mit aller modesti, deuotion 0088vndt erkantnus von dero Liebden empfangnen gnaden sich 0089explicirt hatt. So lang die sachen in dißen standt, mus 0090man sich der leüdt bedienen, so gutt man kan vnd sie0091zu freündt halten. Leztlich formalizirt man sich hir 0092starkh, das dero Liebden die posten in dero landen eingefürdt 0093nach dem vblen exempel des Königs in Preüßen vndt 0094der erste von den catolischen, so dises prejudiz dem 0095Keiser duen, hetten auch vohrdisen versichert, es niemahl 0096zu duen. Also bitt auch, dero Liebden wollen doch darauf reflec- 0097tirn vndt suechen, mit hesigen hoff bestendig in gutter
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0098verstantnus vndt einikeit zu verharren, damit ich 0099nit auch dises einzigen trost in allen meinen bedrübnußen 0100beraubet werde. Leztligen ist ein gewißer Pater jesuiter 0101hier, Hoßlunder genendt, der sagt mihr vill wichtige 0102sachen, die ich dero Liebden hab vohrzubrengen, hatt mihr auch eins 0103vnd ander vohrgedragen. Er verlangt vnter 0104pretext auf Augschpurg zue gehn, des Schallenberg 0105emotion zu promouiren, und das dero Liebden ihm möchten in 0106geheimb zu sich beruefen, damit er ihnen alls 0107entdeken können, dero Liebden werden in kenen. Ich mocht 0108auch woll wißen, was dero Liebden von ihm halten, scheindt 0109zwar ein gelerter mann zu sein, er sacht, er hab schon etlige iahr dero Liebden in wichtigen sachen geschriben. Mitt disen due 0110mich dero Liebden befehlen, werde leben vndt sterben 0111dero Liebden 0112getrewste schwester 0113Eleonora 0114Wien den 19ten jener 1709 0115Meiner liebsten fraw schwägerin, der Curfurstin, bitte vill schons zu sagen.