Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1711.06.03
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Weilen ich vom Graven Lewenstein die nachricht erhalte, das 0003dero Liebden nit allein sein schreiben empfangen, sondern auch beant- 0004wort haben, so frewet es mich, das ich in mein vngleichen ge- 0005danken gefählt, welche ich dero Liebden in mein lezten überschriben, 0006ob möchte es andernorts zurukgehalten worden sein. Er bericht mihr verners, 0007das dero Liebden dero intention wegen der bey dennen dicasterien zu 0008gebrauchen habenden sigillen ihne zuekommen laßen werden, 0009wie auch das sie begehren, über die beyrische cameral 0010vndt militar gefäll vnd daraus zu bestreiten 0011habende außgaben wie auch dortigen besazung, er ein 0012pflichtmäßige staat verfaßen vndt dero Liebden so balt möglich 0013ein senden solle. Weilen dan mein innigligs verlangen, 0014dero Liebden in allen mögligst zu erfüllen, ich auch ohne 0015dem vohr dero Liebden, gegen welche mein herz ganz offen steht
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0016nie kein geheimnus haben oder etwas verbergen werde, so hab ich 0017nit allein hir angeordert, das man den Grav Goes, welcher bis dahto 0018wegen des lieben podagra aufgehalten worden, aber lengst in 2 oder 00193 dagen abreisen wirt, den cammeraal vnd militär staat mit 0020geben solle, ihn dero Liebden zu communciren, sondern auch den Grav Lewenstein 0021rescribiren lasen, das wan dero Liebden ihm dero vicariats signet zuschiken, 0022er sich disen in dennen dicasterijs gebrauchen solle nach der 0023verlangen. Obwollen, dero Lieben offenherzich zu bekennen, ich geglaubt, 0024das die verenderung des sigils nicht so nötig gewesen wären, 0025in dem mein gelibster sohn sehliger andenkens Beyren nit nuhr als 0026Kaiser, sondern auch mit den degen erobert, vndt mein iziger einzig 0027übergeblieber sohn zu einiger ersezung disen landen zuegefügten 0028schaden des verlust Vngren, wie ich in mein ersten schreiben dero Liebden 0029schon angefügt, wehnigsts bis zum könftigen friden selbige 0030zu behalten, also auch seines sigels sich zu brauchen befugt wäre. 0031Ich tröste mich aber mit dem festen vertrawen, das nach 0032dem dero Lieben mich so liebreich versichert, das sie in Beyrn alles 0033in gegenwertigen standt laßen wollen vndt nichts duen, was 0034in meinen bedrüebten standt, muesammes leben vndt schweher 0035aufgedragne regirung noch schwehrer machen könte, sie dem 0036administrator in Beyrn weiter nichts zuemueten laßen werden,
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0037welches scheinen möchte, als wolte man meins sehligen gelibsten 0038sohns dispostion einigen examen vnterwerfen oder mein izigen sohn 0039werender meiner interimsregirung der inhabung der beyrischen landen 0040entsezen wollen, warmit in der kurzen zeit, so das interegnum 0041hoffentlich dauren wirt, weder dero Liebden noch dem landt gedient 0042wurde, woll aber dem land vill verwirrung, mihr aber große 0043sorg vndt kummernus zuewaxen wurde. Widerhole 0044allso mein inigligs bitten, dero Liebden wollen aus der mihr iederzeit 0045vndt von iugendt auf absonderligen erzeichten lieb vndt 0046gütte dero rähten, welche zue beobachtung des vicariats 0047gesezt, ein vohr allemahl befehlen, nach Beyrn keine 0048newerlige verordnung abzufertigen, ohne das dero Liebden, wie 0049ich selbige schon in mein vohrigen ersucht, mit mihr 0050vohrhero darüber communicirt haben werden. Auf dises hoffe 0051vmb so mehr die wilfärige antwort vndt förcht mihr 0052gahr keins abschlagß, als ich mich sicher halte, das sie 0053mich in dero lieb erhalten vndt mich lieber in meinen 0054bedrüebten standt trost, als mehrer kummer, vnruh vndt 0055schmerzen zuefügen werde, gleich als sie auch von mihr 0056versichert sein meiner bestendigen lieb, die ich bis in 0057mein grab verbleiben werde 0058ewer Liebden 0059getrewste schwester 0060Eleonora 0061Wien den 3ten aprill maij junij 1711