Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1711.08.08
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Das dero Liebden mihr zue meinem nahmensdag so vill 0003gutte wuntsch vndt so liebreiche, von mihr vnuer- 0004diente expressiones duen wollen, daruohr bleibe 0005dero Liebden ewich obligirt. Beklage allein, das ich hingegen 0006nicht genuegsamb meine schuldigste schwesterlige 0007lieb gegen diselbe bezeigen kan, gleich ichs bestendig 0008in meinem herzen drage. Gleichen dankh bin ich dero Liebden 0009schuldig vohr das vertrawen, mitt welchen sie mihr 0010eins vndt anderes eröffnen, was sie zu besten 0011des Königs, meines geliebten sohns, vndt dißes 0012erzhauß finden, vohr alles, was immer zue einigen 0013nachdeil gereichen könte, so wollmeinent warnen 0014vndt dero bestendige lieb so eifrich gegen selbiges er- 0015weißen wollen. Vndt können dero Liebden auch hingegen versichert sein,
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0016das nicht allein mein gelibster sohn vndt ich gleiches vertrawen 0017gegen dißelbe pflegen werden, sondern auch, was zu deroselben 0018vndt vnsers curhaus aufnahm vndt besten gedienen 0019mach, von herzen gern beydragen, so vill immer möglich 0020sein wirt. Es ist nit ohne, das, was dero Liebden die guttheit 0021haben mihr vertrawlich zu eröffnen, deren schreiben von König 0022in Polen an dero Liebden so woll als Cur Meins, wie auch die 0023nachrichten von Rohm sehr nachdenklich seindt, 0024insonderheit, was die bede geachte Cuhrfürsten betrifft, 0025vndt verlaße ich mich auf meinen wertisten papa, 0026das sie alles werden ableinen vndt ihre mittcurfürsten 0027auf solchen gutten weg brengen, das nichts zu befahren 0028sein wirt. Wie dan auch ich nit vnterlasen werde, die 0029böhmische gesantschafft dahin absonderlich zu 0030instruiren, alles enge vertrawen mitt dero Liebden zu 0031pflegen, in allen mit ihnen zu corespondiren vnd ihren raht 0032zu suchen, damit alles de concerto geschen möge. Des- 0033wegen dan mich sehr schmerzen wurde, wan dero Liebden 0034etwan wegen des cerimonial dero so vordräglige 0035geschepfte resolution, sich dorten in person einzufinden,
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0036in dero gegenwart vndt assistenz ich nach gott alle mein hoffnung 0037geßezt, endern wurdten. Dero Liebden können versichert sein, das ich gewißlich 0038keine newerungen verlange, wehniger ichtwas zue duen, was 0039dero Liebden prejudicirlich sein könte, allein hoffe ich, auch dero Liebden werden 0040von selbsten erkennen, das ich aus mihr in deme, waß 0041von vnerdenkligen iahren bis auf izige zeit vndt noch 0042lesten bey meins Kaiser sehligen andenken wahl ist practicirt 0043worden ohne einziges widerschprechen, ohne meins sohns, des Konigs, 0044vohrwißen vndt genehm haltung nichts endern kann. 0045Ich hab die sachen durch eine conferenz überlegen laßen, 0046vndt damitt dero Liebden sehen, wie offenherzig vndt ver- 0047trawlich ich inen alles participire, so überschike inen herbey 0048das refferat, welchs das ministerium mihr herauf geben 0049hatt, vndt zweifle nitt, dero Liebden werden es woll gegründt 0050vndt billich erkennen, auch dero reis deswegen nicht 0051einstellen, sondren oder mitt denen gesanten am dritten 0052ort zusammen (wan sie iah wegen der handt halber ein 0053bedenken hetten), obwollen mich flatire das gegenschpill, weil es so ein alter ?? ist, oder das der Cünsbrukh als der dritte 0054mitt ihnen alles abhandlen möge, mit welchem 0055kein difficultet sein wirt, vnd dero Liebden durch ihme auch denen 0056andren gesanten dero gesanten hocherleüchte sentimenten könen zu 0057ihrer direction bey bringen laßen. Vndt werden dero Liebden
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0058mihr diß vmb so wehniger übel nemmen, als ein 0059sach, desen die König in Böhmen schon so lang in poses seint, 0060vndt die andern beden, Polen vnd Preüsen, nit darauf 0061exemplifficiren können, dan sie nit als Königen in in Polen vnd 0062vnd Preüsen, sondern als Curfürsten zu Saxen vndt Branden- 0063burg bey dem wahldag erscheinen, Böhmen aber als 0064König in Bohmen, vndt, wan er gegenwertig, auch mit 0065der crohn ins collegium geht, welches die andern 0066nicht pretendiren können, weil sie nuhr als curfürsten zu 0067erscheinen haben vndt in selbigen habit bleiben. Also verlaß mich 0068ganz auf dero Liebden, das sie werden derienigen sein, welcher 0069mein sohn seine billige prerogatiuen werden selbsten 0070manteniren wollen. Im übrigen frewet mich, das dero Liebden 0071mit des Graven Goes seiner negotiation vnd comporte- 0072ment zufriden seint, kan auch dero Liebden versichern, das auf 0073dero reccomendation im gern alls gutts erweisen werde, 0074absonderlich auch, weil ich in ihm ein absonderlige 0075deuotion gegen dero Liebden vnd vnser cuhrhauß verschpüren 0076due. Bitte auch dero Liebden, wan er, wie ich glaub, das in 0077werd in Haag schiken, damit der Grav Sinzendorf
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0078ein reiß hieher vndt woll gahr zum König duen könte, ihme dero gnade vndt assistenz 0079zu continiren. Das nordische weßen sicht freilig sehr 0080übel vndt verwirt auß, dero Liebden werden schon wißen, was vohr 0081newe propositiones der König in Polen in Holandt 0082gedahn hatt, welche sich doch noch etwas beßer hören 0083laßen. Er ist schon von Tresten abgereist, in Pommern zu 0084gehen, der Zarr vndt die türken marchiren auch gegen 0085einander, vndt wirt man etwan balt von dorten 0086was weiters hören. Aus Schpanien hab dise dag brif 0087bekommen, der König macht mihr zwar hoffnung, 0088so balt möglich herauß zu kommen, weilen er aber 0089von hier noch nicht alle nachrichten gehabt, wie auch 0090wie die sachen im Reich vndt mit den alijrten seint0091vndt was mit einen vnd andren concertirt vndt 0092abgerett worden, so hatt er auch noch die zeit 0093seiner herauß reis nicht so positiue determi- 0094nirt. Hoffe aber, es solle auf das baldiste 0095geschen, vmb welches ich woll vnausschprechlich ver- 0096lange, nit allein aus mütterligen verlangen, ihne zue 0097sehen, sondern weil es so nötig vohr das gemeine beste
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0098vndt ich auch disen schwähren last (in solchen verwirten zeiten 0099in sonderheit) einmahl, der meinen schwachen krefften allzeit 0100zue schwähr, möchte enthoben werden. Bedanke mich auch 0101gegen dero Liebden, das sie haben die 4te stewer in Beyrn aus schreiben 0102wollen, bezihe mich disfals auf mein canzley schreiben, 0103vmb dero Liebden nit so lang aufzuhalten. Bitte mich allzeit 0104in dero vnschazbaren affection zu erhalten, die ich 0105leben vndt sterben werde 0106dero Liebden 0107getrewste schwester 0108Eleonora 0109Wien den 8ten august 1711