Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1706.05.08
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 45/7
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Es hatt gestren der Wißer widrumb die sach wegen der Obren 0003Pfalz bey mihr vrgirt vndt ich hernach mit dem Keiser 0004dauon gerett, welcher versichert, das er darob sey, damit dero Liebden 0005so balt immer möglich consolirt werden mögen, nuhr das 0006die sachen so eingericht werden, das dero Liebden es bestendig vndt 0007mit ruhe besizen mög. Er hatt auch auf heündt 0008eine conferenz deswegen anorden wollen, damit man die 0009sach reifflich überlege. Ich werd auch nit vnterlaßen, denen 0010ministris allen dorüber zu zu schprechen, damit alles zum 0011baldigen endt vnd zu dero Liebden satisfaction gedeien möge. Ich 0012bitt aber, dero Liebden vmb gotteswillen wollen doch die sach nit 0013vberdreiben, es ist ihnen gewiß, vndt diser kleiner aufschub 0014nuhr zu ihrer mehren sicherheit. Auch hatt mich mein 0015sohn ersucht, dero Liebden nachmahlen zu bitten, das dero troupen,
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0016so nacher Italien dero Liebden so generosamente destinirt haben, zu beordren, 0017das sie den march möglist beschleünigen, dan daran die ganze 0018crisi der volligen campagne geb vnd conseqwenter des ganzen kriegs 0019gelegen ist, auch dis das einzige, was meinem armen verlaßnen 0020sohn einigen lufft machen könte. Dero Liebden haben alles in disen krieg mit 0021solcher generositet angefangen vndt bis dato continuirt, das 0022sie es ohne zweifel mitt noch gloriosern endt schließen werden 0023vndt meine bede söhn, das ganze haus, iah das ganze Reich vndt 0024alle alijrte ihnen alles schuldich sein beyzumeßen vndt dankbar 0025zu erkennen. Dero Liebden können sich auch leicht einbilden, in was vohr 0026angsten vndt bedrübnus ich bin, meinen armen sohn dorten in so 0027gefahrligen standt zu wißen, vndt werden dero Liebden zu ihrer angebornen 0028generositet auch das mitleiden, so sie gegen mich in meinen so 0029überhauften bedrübnußen dragen werden, noch mehre persuadiren, dießes 0030hauß noch verners in dißer so grosen crisi nit zu abandoniren vndt 0031mit schleuniger abfertigung oder beforderung dero troupen dem werkh 0032das peso geben. Dero Liebden haben mihr, zwar vnuerdinter weis, alzeit so vill 0033lieb erzeicht, das ich ich an dero wilfahrung ganz keinen zweifl seze. Auch 0034weilen sich die franzoßen im Reich so starkh zuesammen ziehen, ist 0035zu beförchten, das sie nit durch zuebrechen vnd in Beyren einzubrechen 0036tentirn möchten, der Morgraff ist schwach, vnd wie ich hör, verlangt er, 0037dero Liebden sollen dero troupen, so dahin destinirt, zue ihm stoßen laßen, an
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0038disen hab ich desto wehniger zweifl, als dero Liebden interesse selbsten dahin0039versirt, das Beyren vnd die Obre Pfalzen erhalten werde. Due mich in 0040dero affection befehlen vndt werde sterben 0041dero Liebden 0042getrewste schwester 0043Eleonora 0044Wien den 8ten maij 1706 0045Ich hör, dero Liebden haben wider vmb den Fuker an mein sohn geschriben. Jezt, 0046förcht ich, nach dem dero Liebden schon consentirt gehabt, das er zu Insbrukh 0047bleiben könne vndt es von hier schon resoluirt ist, wirt es schwehr 0048zu endern sein, vndt möchten dise, so villeicht dero Liebden nit zummb 0049besten intentionirt sein möchten, die sach exageriren, das es dero Liebden nit woll 0050möcht genommen werden. Mein wehnige meinung währ, dass dero Liebden es iezt 0051wolten dobey laßen bewenden.