Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1702.01.11
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/8
Ausfertigungeigenhändig
175 ros-id-310
0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerliebster herr bruder 0002Ich hab dero liebste schreiben vom 9ten vnd 30ten novembris, 2ten vnd 14ten passato 0003woll empfangen. Wahre mihr aber vnmöglich drauf zum 0004beantworten, deils wegen der heiligen zeit vnd den abgeschmachten 0005audienzen der neujarwuntsch als auch, das ihr Mayestät vohrigen 0006iahrs immerzu mit den grieß vndt steinschmerzen seindt 0007inccommodirt geweßen, iezt aber befinden sich ihr Mayestät 0008gottsey lob vndt dankh gesacht, ganz woll auf, brauchen 0009so gelinde medicamenta zur preseruation, das ich hoff, dass es0010iezunder nit mehr kommen will, welches der almechtige 0011gnädig verleyen wolle, amen. Zu vodrist sage dero Liebden schuldigsten 0012dankh vohr die sorchfalt, so sie vohr mein Keißer haben, 0013vndt zweifl nit, dero heiliges gebett werde zu deßen geneßung 0014vill cooperirt haben. Sage gleichfals dero Liebden herzligsten
175 vos-id-311
0015dankh vohr den so wollmeinenden feirdag vndt neuiahr wundtsch, 0016wüntsche dero Liebden widrumb von grundt meines herzen, dass0017deren vnzahlbar vill mit aller selbsterwünschten glükhsehlich- 0018keit erleben möchten, ich aber vill gelegenheit haben möge, 0019dero Liebden herzinnigliste schwesterliche lieb zu erzeigen. Dero Liebden haben mich 0020vnauschprechlich obligirt, das sie mich wegen der französischen 0021gefahr in so weit consoliren, das sie mich versichren, alle 0022precautiones zue nemmen, also hoff ich werde es so kein0023gefahr haben, dan wann sie sehen werden, das ihre desseins 0024offenbart sein, werden sie andere seiten aufziehen vnd sich 0025beßer bedenken, dan sie dardurch daß ganze Reich gleich 0026sich auf den hals zieten, welches iah so woll als mein 0027Keiser nit zuegeben können, dass mit einem curfürsten also 0028zu veruahren. Gott wirt dero Liebden behüetten vndt so vill gebett 0029erhoren vndt dero Liebden vohr allem vnheil bewaren, mihr werden auch allen mögligen fleis anwenden zu erfahren, wer in disen complirt ist. Wegen meins 0030sohns, des Königs, veltzug ist es iezt an deme, das 0031ihr Mayestät den herrn Margrauen Liebden werden hierher beruefen, 0032damit mit selbigem alles debattiert, den dessein
176 ros-id-312
0033der könftigen campagne zue formiren, vnd so dan herüber 0034die resolution faßen können. Ich kan dero Liebden in hösten vertrawen schreiben, wie 0035das der hollendisch vndt engelsche enuoiee colegialiter so woll 0036bey mein Keiser als mihr audienz genommen vndt 0037in nahmen ihrer principalen sehr solicitirt, das mein 0038sohn an Obren Rein selbsten commendiren solle, welches 0039dan so vill ausgewürkt, das ihr Mayestät den Margrauen beruefen, wie 0040ich dero Liebden bericht, ich hoff, er werd balt kommen vndt 0041ich so dann dero Liebden ein zueuerläßige resolution überschreiben 0042können. Indeßen werden alle anstalten gemacht, vndt 0043hatt mich der Kriegspresident noch in lezter audienz 0044versichert, das in Italien die nottwendige manschafft 0045vndt im Reich 45000 keiserlige zue rechter zeit sein 0046werden, mich aber gebetten zu verhelfen, das man ihn 0047mit dem gelt nit steken last, ohne welches man 0048nirgens niks kan duen. Man laborirt auch iezt 0049auf alle weiß dises zuesammen zu bringen, vndt 0050freüdt mich, das der Wißer auf der reiß vndt 0051balt hir wirt sein. Wan der Margraf wirt hie sein, 0052wirt er können vill gutts duen mit andreiben, das 0053man dises hern gutte anschläg secundiren möge.
176 vos-id-313
0054Die comission wegen unserer schwegrin wer schon geschen, 0055es hatt aber der Kinski müeßen her kommen wegen 0056ihrer Mayestät dienst, so wirt sich aber gahr nit lang hier 0057aufhalten, so werden ihm vnd den Sternberg alsdan die comission 0058geben. Ich hoff, wan der Wißer balt kombt, so trift er 0059in noch an, das er ihn selbst informiren kan von allen. 0060Wegen vetter Pfilipp, ist mihr gahr leidt, das er dero Liebden so 0061importunirt, ihr Mayestät, mein Keiser, werden nit vnterlaßen, die 0062billichkeit zu protegiren. Wegen des Beywang, hab ihn 0063ihr Mayestät reccomendirt, ihr Mayestät incliniren ihn zu accommodiren, 0064aber das bericht dero Liebden, das hier nuh niemahls krichsraht 0065vnd camerrat zugleich sein, wan der Wiser kombt 0066will schon mit ihm reden, wie man ihn accomodirn könne. 0067Den Wilich vndt Schonians will ihr Mayestät reccomendiren, mich dunkt 0068aber, es hab einer ein expectanz drauf, will aber nach- 0069fragen. Wegen des Ansalour, so will schon sein dochter 0070an ein guttes ord duen, woh sie was lernt. Es 0071hatt mihr auch der Hamilton disfals dero Liebden befehl vohrgelesen, 0072es seint kein leehr vnd noch etlige, die schon angenomen.
177 ros-id-314
0073Dero Liebden können aber versichert sein, das ich das madl schon 0074versorgen werde. Iezt hab ich noch ein groß anligen 0075dero Liebden zue vertrawen, es ist dieStarenberg0076mir ein grosser last, wan 0077Tiberiusein man vohr sie drunden 0078finden könte, wer es sergut. Es 0079mueß aber einer sein, der0080mittel hat, dan sie niks hat, 0081auch ein guet freiherr das kann0082kammerher sein, könnte es sein, und könnte bei mein Keiser 0083auch ein andere gnad0084begeren. Ich hab halt all mein zuflucht 0085zu dero Liebden. Es ist aber notwendig, das es0086gar balt geschehe, den gelerten 0087ist gutt predigen. Dero Liebden werden auch von vnsrer Konigin 0088vernommen haben, das sie ihr Pater Gatt nemmen 0089wollen, die arme, mihr werden dun was wir können. Due 0090mich hirmit dero Liebden schönstens befehlen vnd werde sterben 0091Bitt mein fraw schwägerin zu entschuldigen, mein Keiser will gleich zum eß gehen mit archß0092dero Liebden 0093getrewste schwester 0094Eleonora 0095Wien den 11ten jener 1702